Der Humus im Gebirgswald wird weniger. Schuld ist der Klimawandel, sagen Experten. Der Bayerische Forstverein ging der Sache auf den Grund. Eine Exkursion führte zunächst zum Walchensee, anschließend ging es weiter in die Nähe von Mittenwald.
Der Humusschwund ist happig: Das dunkle Material ist nämlich innerhalb von drei Jahrzehnten um 14 Prozent weniger geworden. „Aber man kann was dagegen machen“, sagt Prof. Dr. Jörg Prietzel. Er ist einer, der sich mit der Thematik sehr gut auskennt. Der Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Bodenkunde der TU München befasst sich seit Jahren mit dem Humus in den bayerischen Gebirgswäldern. Zusammen mit Kollegen hat er aktuell eine Studie veröffentlicht. Eine der zentralen Aussagen: Wenn Wetterphänomene wie Trockenheit oder Starkregen weiter zunehmen, sind die Wälder der Alpen in Gefahr. Die Studienautoren empfehlen Folgendes: Man sollte den Bodenhumus trotz Klimawandels durch humusförderndes Waldmanagement bewahren oder – idealerweise – steigern, um die Schutzfunktion des Bergwalds zu erhalten und Hochwasser abzumildern. Denn das Material wirkt wie ein Schwamm. Je mehr vorhanden ist, desto besser. Es spielt außerdem eine wichtige Rolle für die Fruchtbarkeit, den Wasserhaushalt und die Nährstoffversorgung von Böden.
Nach dem Treffpunkt in Krün steuerte der Forstverein zunächst das Gebiet südlich des Walchensees an. Am Altlacher Hochkopf im Gemeindegebiet Jachenau befindet sich eine Bodendauerbeobachtungsstelle der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. Vor allem Fichten und Tannen sind dort auf rund 1.100 Meter Höhe zu finden. Der Humusvorrat ist hier deutlich zurückgegangen. Der Standort hatte früher laut Prietzel vergleichsweise am meisten davon, „und er hat auch meisten verloren“. Mit dem Schwund ging im Boden auch ein Minus an Stickstoff, Phosphor und Kalium einher. Welche langfristigen Folgen das hat, kann Prietzel nicht sagen. Um zu sehen, was mit den Bäumen passiert, will der Wissenschaftler weiterforschen. Für sinnvoll hält das Günter Biermayer, Mitarbeiter des Bayerischen Forstministeriums und Forstvereins-Vorsitzender des Bezirks Oberbayern-Schwaben. Er sprach sich für ein „möglichst großes Versuchsflächennetz“ aus.
Ortswechsel: Nahe der Ochsenalm bei Mittenwald besichtigten die Förster auf 1.200 Meter Höhe zwei direkt nebeneinander liegende Standorte. An dem einen sind im steilen, grasigen Gelände nur wenige Fichten, Tannen und Buchen zu sehen. Humus ist auch nicht viel vorhanden, der Verbiss ist hoch. Es gebe hier einen „weit überhöhten Wildbestand“, konstatierte Markus Hildebrandt vom Weilheimer Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Im Winter halten sich Gemsen hier offenbar sehr gern auf.
Verblüffend: 50 Meter weiter östlich mangelt es hingegen nicht am Humus, es ist ein dichter Jungbestand vorwiegend aus Fichten und Buchen vorhanden. Bis 2005 gab es hier einen zwei Meter hohen Wildschutzzaun. Ein Teil verblieb ostseitig als Schutz gegen das Weidevieh.
Für Prietzel und seine Forscherkollegen sind Gebirgswälder, die gegen Extremereignisse stabil sind, von zentraler Bedeutung. Wälder, die sich durch eine Mischung unterschiedlich alter Bäume möglichst vieler Arten auszeichnen. Denn sie liefern laufend humusbildende Stoffe wie Blätter, Nadeln, Wurzeln oder Reisig. Und sie erhalten selbst in heißen Sommern ein konstant kühles „Waldklima“. Dies verlangsamt den Humusabbau durch Bodenmikroorganismen. Außerdem verhindern solche Wälder erosionsbedingte Humusverluste durch Starkregen, Schneegleiten oder Lawinen, sagen die Forscher.
Für Robert Krebs, stellvertretender Leiter des Forstbetriebs Bad Tölz, war der Nachmittag ein Gewinn. Das eine Beispiel an der Ochsenalm gibt ihm Hoffnung. Krebs versprach: „Wir stellen uns dieser Thematik.“ Im Ministerium hat man das Thema im Blick – und misst ihm Bedeutung bei. „Wir müssen da über Generationen dran bleiben“, betonte Biermayer.
Roland Lory